Feuer und Wasser

Herausgegeben von Erik Hornung und Andreas Schweizer

Der Band vereint die Beiträge der Eranos Tagungen in der Casa Serodine, Ascona,
von 2011 (Leben im Fluss des Wassers) und 2012 (Feuer und Flamme).

 

David G. Senn
Leben im Fluss des Wassers 

Der Beitrag des Zoologen und Meeresbiologen David Senn gibt uns einen höchst faszinierenden Einblick in die Entstehung und Entwicklung von Leben auf dem Planet Erde. Leben begann im Meer und es fand die längste Zeit auch nur im Meer statt. Erst nachdem sich in den Ozeanen in grossen Mengen Zellen und Zellenverbindungen entwickelt und vermehrt hatten, erst nachdem dieses mit den Meeresströmungen dahintreibende Plankton in genügendem Mass vorhanden war und über einen Zeitraum von etwa drei Milliarden Jahren mit Hilfe von Sonnenlicht ausreichend Sauerstoff geschaffen hatte, in und ausserhalb der Meere, erst nachdem sich so die schützende Hülle der Atmosphäre langsam gebildet hatte, erst danach war auch Leben auf dem Land möglich. Es begann erst im letzten Zehntel der «Lebensgeschichte» unserer Erde, das heisst vor etwa 350 Millionen Jahren. Die Erde ist eine Oase im Weltall. Durch pflanzliche und tierische Organismen im Wasser hat sich die Atmosphäre entwickelt. Nur dadurch ist unser Planet «lebensfreundlich». Er ist aber auch verletzlich. Beide, Hydrosphäre und Atmosphäre benötigen Schutz. Sie lassen sich nicht beliebig verändern. «Es ist gerade die Verletzlichkeit unseres Planeten, der ihn zum Hort des Lebens macht», schreibt der Autor. 

Gunhild Pörksen
Paracelsus - Die Alchemie der Welt und die Früchte des Feuers 

Sich der feurigen, ja beinahe dämonischen Energie des Paraceslus und dessen Schriften anzunähern, ist kein leichtes Unterfangen. Daher finden sich nur wenige, die dies wagen. Gudrun Pörksen gelingt es, mit grosser Sachkenntnis und Einfühlung, dem Leser einen Zugang zu Paracelsus zu vermitteln. Die Autorin macht klar, dass eine Betrachtung über das Feuer bei Paracelsus, diesem grossen Arzt, Naturforscher, Theologen und Alchemisten, nur im Zusammenhang mit seiner gesamten Weltsicht möglich ist. Feuer ist für Paracelsus eines der vier Elemente, welche die Grundformen der Welt ausmachen. Eigentlich sind es lebendige Wesen oder geistige Mächte, welche Gott, der Schöpfer, der zu Beginn der Schöpfung wie ein Alchemist hantierte, aus dem grossen Einen heraus entwickelte. Unter diesen Elementen scheint für Paracelsus das Feuer das Vielseitigste zu sein oder auch das Mächtigste. Es erscheint in Form der Gestirne. Es erschafft die Zeit. Es erzeugt die Metalle in der Erde. Eine ganz wesentliche Wirkung des elementarischen Feuers ist für den Arzt Paracelsus dessen Kraft zu heilen. Ein Arzt muss, so Paracelsus, «Arzneiische Augen» haben, «Augen des Feuers». «Ohne Erfahrung des Feuers und der Feuerkunst kann der Arzt nicht heilen.» 

Regine Schweizer-Vüllers
Feuer, Licht und Klang - Elemente des Ergriffenseins bei Mechthild von Magdeburg und in der provenzalischen Scala divini Amoris 

Der Beitrag von Regine Schweizer-Vüllers führt in die Welt der mittelalterlichen Mystik. Zwei ganz unterschiedliche Texte werden behandelt, zunächst, das Werk Mechthilds von Magdeburg, «Das fliessende Licht der Gottheit», das in den Jahren 1250 bis ca. 1282 entstanden ist. Regine Schweizer beschreibt Entwicklungen im Gottesbild der Mechthild von Magdeburg, damit aber auch Entwicklungen, welche die Mystikerin selbst machte, etwa jene überragende Gestalt der Minne, welche als weibliche Macht hinter dem Wirken der männlichen Gottheit zu stehen scheint und Schritt für Schritt deutlicher oder auch sichtbarer wird. Der zweite, viel kürzere Text, stammt aus der Provence. Er ist etwa um 1300 entstanden. Sein anonymer Verfasser war wohl ein Troubadour. Dieser Mann versucht, eine überwältigende Gefühlserfahrung schreibend zu verstehen und mit seinem religiösen Weltbild zu verbinden. Er tut dies in fast alchemistischer Weise, indem er eine Entwicklung beschreibt, in welcher die vier Elemente, Erde, Luft, Wasser, Feuer sowie die fünf menschlichen Sinne die einzelnen Stationen ausmachen. Ziel des Verfassers ist es, seiner Seele, möglicherweise aber auch einer geliebten Frau zu zeigen, wie Gottes Liebe in den konkreten sinnlichen Erfahrungen zu finden ist. 

M. Laura Gemelli Marciano
Feuer bei Heraklit und Empedokles - Aspekte und Funktionen einer göttlichen Kraft 

Im Artikel von Laura Gemelli Marciano wird eine ganz neue Sicht auf die beiden grossen Vorsokratiker Heraklit und Empedokles erfahrbar. Das Bestreben der Autorin ist es, die durch Platon, Aristoteles und die Stoiker geprägte Deutung ihrer Schriften, in welcher vor allem der logisch-denkerische Ansatz überwiegt, zu erweitern. Beide, Heraklit und Empedokles waren tief religiöse Menschen. Sie waren Seher, Propheten, Heiler, Priester, und nicht spekulative Denker. Das Feuer bei Heraklit etwa ist ein «göttliches Wesen», das in sich «eine selbsterneuernde Kraft besitzt». Ein weiterer Aspekt ist das des Richters. Das Feuer richtet. Diese Vorstellung ist in Griechenland unbekannt. Und nur der Blick auf die benachbarten Religionen erlaubt hier eine sorgfältige und stimmige Deutung. Auch für den Sizilianer Empedokles waren die Elemente mächtige göttliche Wesen. Laura Gemelli spricht von «Götter-Elementen». Diese sind Zyklen von Werden und Vergehen unterworfen, welche durch zwei Kräfte, Philia (Liebe) und Neikos (Hass) bewirket werden. Während Philia die «Götter-Elemente» zu einer Mischung verbindet, trennt Neikos und macht sie wieder zu einzelnen göttlichen Wesen. Das Feuer stellt in diesem Zyklus eine kreative, befreiende Energie dar. Laura Gemelli betont, dass bei Empedokles Religion und Naturwissenschaft, Mythos und Erkennen untrennbar zusammen gehören. 

Doris Prechel
Das Wasser der Reinheit in hethitischen Ritualen 

Die Forschungsarbeit von Doris Prechel beschäftigt sich mit der Bedeutung des Wassers in Hethitischen Ritualen. Da die Kulturen der Hethiter und Mesopotamiens im 13./14. Jahrhundert vor Christus eng zusammen gehörten, beginnt die Autorin zunächst mit dem babylonischen Schöpfungsmythos «Enuma Elish». Am Anfang gab es nur Wasser, zwei Arten von Wasser, das Frischwasser, Apsû, sowie Tiamat, das Salzwasser. Später wurde Ea-Enki zum Gott des lebensspendenden Wassers. Wasser diente der Fruchtbarkeit des Landes, aber auch der kulturellen Reinigung. Und eben diesen beiden Funktionen begegnet man auch in den hethitischen Reinigungsritualen. Bei den Hethitern im anatolischen Hochland herrschten der Regen spendende Wettergott und die Erdgöttin, die in Brunnen, Flüssen und Quellen verehrt wurde, über das Wasser. Dieses Götterpaar wurde vermutlich im erst vor kurzem in seiner ganzen Grösse entdeckten Quellheiligtum von Eflatunpinar verehrt. Das Quellheiligtum aus dem 13. Jahrhundert vor Christus besteht aus einer sechs Meter hohen, mit Figuren bedeckten, Reliefwand. Auffallend ist eine grosse weibliche Gestalt mit Strahlenkranz. Die Bedeutung der Gestalten ist nicht sicher. Doch gelingt es Doris Prechel, indem sie die Rolle des Wassers in den Textzeugnissen verschiedener hethitischer Rituale einbezieht, dem Rätsel des Quellheiligtums von Eflatunpinar näher zu kommen. 

Marietje Kardaun
Der Kampf Jakobs am Wasser des Jabbok 

Jakobs Kampf mit dem unbekannten Fremden am Fluss Jabbok ist eine der schönsten Erzählungen der hebräischen Bibel. Marietje Kardaun deutet die Begegnung im psychologischen Sinn. Wer ist die fremde Gestalt, mit der Jakob kämpfen musste? Wenn es tatsächlich Gott war, so kann man sich fragen, warum dieselbe göttliche Gestalt, die Jakob den Befehl gab, zurück nach Kanaan zu ziehen, ihn nun gerade an der Grenze zu diesem Land auf Leben und Tod bekämpft. Im Grunde genommen ringt Jakob mit seinem eigenen dunklen Schatten. Er kämpft aber auch mit der dunklen Seite der Gottheit, «seiner erschreckenden Nachtseite», wie die Autorin sagt. Er setzt sich so lange mit ihr auseinander, bis diese dunkle Seite ihn segnet und ihm einen neuen Namen gibt, Jakob-Israel. Isra-el bedeutet «gekämpft mit Gott». Jakob unterliegt nicht. Allerdings, wer mit dem Schatten und der dunklen Seite Gottes ringt, geht gezeichnet daraus hervor. Jakob «hinkte an der Hüfte». Es ist der Kampf am Wasser des Jabbok, welcher Jakob zum dritten und letzten Erzvater der Israeliten werden lässt. 

Götz König
Zur Entwicklung des zoroastrischen Feuerkultes

Der Zoroastrismus ist im Vergleich zu anderen Religionen des vorderasiatischen und indoiranischen Gebietes wenig bekannt. Umso verdienstlicher ist es, dass Götz König aus Berlin mit seinen Untersuchungen zur Entwicklung des zoroastrischen Feuerkultes eine äusserst sorgfältig konzipierte und überzeugende wissenschaftliche Studie vorlegt. Die detaillierten Analysen kommen zu bemerkenswerten Resultaten, die hier vorweg genommen seien. Die zoroastrischen Feuerrituale haben eine magisch-religiöse Funktion. Als sympathetischer Zauber sichern sie einmal den Aufgang der Sonne, beziehungsweise das Wiedererscheinen des Sonnengottes Mithras. Zum andern begibt sich der Priester, der die Feuerrituale vollzieht, auf eine Seelenreise, einen Seelenflug, bei dem er die verstorbenen Seelen, die durch das Feueropfer ins Lichtreich geführt werden sollen, auf ihrem Flug ins Jenseits begleitet. Schliesslich führen die Feuerrituale zur Wiederherstellung der kosmischen Ordnung dadurch, dass sie der Abwehr von feindlichen Dämonen dienen.